Rede
von Marlies Smeets , Oberbürgermeisterin
der Stadt Düsseldorf,
zur Eröffnung des Heine-Jahres
am 16. Februar 1997


Herr Ministerpräsident. Exzellenz, Magnifizenz, sehr verehrte Frau v. Bennigsen-Foerder, sehr verehrte Frau Professor Klüger, meine sehr geehrten Damen und Herren,

Heinrich Heine und Düsseldorf, das ist eine lange, oft bewegende, manchmal ärgerliche und gelegentlich auch tröstliche Geschichte. Diese Geschichte hat immer mit dem Verhältnis von uns Deutschen zu unseren kritischen und unbequemen Genies innerhalb der Literatur zu tun, aber auch mit unserem häufig mangelnden Sinn für Witz und Satire.
Sie ist stets eine Geschichte von Sprüngen und Brüchen in der Annahme der Meinungsfreiheit, eine Geschichte der wahrgenommenen oder verweigerten Toleranz, was die Herkunft aus Minderheiten und Überwindung von nationalen Vorurteilen angeht.
Heine stellt seine Kindheit und Jugend in Düsseldorf, der damals kleinen Residenz- und Gartenstadt, als eine geradezu paradiesische Erfahrung dar, auch wenn sie gewiß einen nicht wegzudiskutierenden Stachel der Außenseiterschaft aufgrund seines Glaubens enthielt. Aber kennen wir liebenswürdigere, in die Weltliteratur eingegangene Sätze über unsere Stadt als die autobiographischen Beschreibungen aus dem Reisebild Ideen. Das Buch Le Grand?
Ich darf die Sätze zitieren, obwohl viele von Ihnen sie auswendig mitsprechen können >>Die Stadt Düsseldorf ist sehr schön, und wenn man in der Ferne an sie denkt, und zufällig dort geboren ist, wird einem wunderlich zu Muthe. Ich bin dort geboren, und es ist mir, als müßte ich gleich nach Hause gehn.<<
Die Geschichte der Heine-Wirkung dagegen ist oft genug ein Abbild der unglücklichen ideologischen Kehrtwendungen innerhalb der deutschen Geschichte, ein Seismograph des deutsch-französischen Verhältnisses und des stockenden europäischen Fortschritts gewesen. Heinrich Heine und Düsseldorf, das ist ein eigenartiges, schmerzliches und gleichzeitig produktives Kapitel in der Stadtgeschichte. Ein Kapitel, in dem die Stadt als Vater- oder richtiger Mutterstadt des Dichters das Modell abzugeben hatte für ein gesamtes sich heftig befehdendes Publ ikumsinteresse in Deutschland.
Von einem Zuhause für den heimatlosen Dichter konnte leider lange Zeit in Düsseldorf überhaupt keine Rede sein. Oft haben die Stadt oder Teile unserer Kommune eine mehr als schlechte Figur gemacht. Dafür hat Düsseldorf reichlich Häme eingeheimst und muß sich bis heute immer wieder anhören, daß das Verhältnis der Stadt zu ihrem Dichter miserabel sei.
Diesem schlechten Ruf ist nur schwer entgegenzutreten. Die berechtigte Scham und die Erinnerung an die belastete Vergangenheit haben oft genug einen unproblematischen Neuanfang verhindert. Eine rhei nisch-gemütliche hemdsärmelige Lösung, wie sie bei anderen Streitfällen an der Tagesordnung ist, ist in diesem Fall nicht möglich. Einer solchen Wiedergutmachung entzieht sich der Dichter mit Ironie und melancholischer Distanz von selbst.
Längst nicht alle Düsseldorferinnen und Düsseldorfer sind schon immer und für alle Zukunft mit Blindheit geschlagen gewesen. Es hat häufig Versuche gegeben, seinem Andenken gerecht zu werden, und einige der daraus resultierenden Ergebnisse in archivischer, musealer und vermittelnder Hinsicht, aber auch durch Denkmäler und Benennungen, können sich durchaus sehen lassen.
Das Verhältnis von Poesie und Öffentlichkeit ist allerdings recht kompliziert. Die Beziehung einer solch facettenreichen Persönlichkeit wie Heinrich Heine zu einem adäquaten Nachruhm hierzulande, wie er seinem internationalen Renommee entspricht und bei anderen Autoren selbstverständlich ist, übertrifft freilich solche Verständigungsschwierigkeiten erheblich.
Das soll keine Entschuldigung für Versäumnisse oder Fehler sein, sondern das Eingeständnis, daß die Geschichte der Stadt mit ihrem Dichter positiv weitergehen muß. Es wird dann ein nach wie vor spannendes und anregendes Verhältnis bleiben. Langeweile wird es nicht geben.
Hier und da dürfen wir aber tatsächlich auch auf einige Schritte stolz sein. So haben die beiden Staatsoberhäupter von Frankreich und Deutschland, die Präsidenten Jacques Chirac und Roman Herzog, durch die Übernahme der gemeinsamen Schirmherrschaft über die Feierlich keiten anläßlich des Heine-Jahres '97 dessen Bedeutung eindrucksvoll unterstrichen.
Ich freue mich sehr, Sie, verehrter Herr Botschafter Scheer, heute hier bei uns begrüßen zu können und möchte auch Herrn Richard Kubicz und Frau Francine Goujon, die in Vertretung des Bürgermeisters von Paris zu uns gekommen sind, ganz herzlich bei uns willkommen heißen.
Die Verselbständigung des Heinrich-Heine-Institutes in Düsseldorf als Literaturarchiv und -museum im Jahre 1970, als der größere Teil der ehemaligen Landes- und Stadtbibliothek als Dauerleihgabe der Stadt an die neugegründete Universität und damit an die heutige Universitäts- und Landesbibliothek übertragen wurde, hat sich unseres Erachtens mehr als bewährt. Damit wurde die Neuere Handschriftenabteilung unserer alten Bibliothek, die der junge Heine eifrig benutzt hat, in den Rang einer Gedenkstätte erhoben.
Durch die von dort vorgenommene, beispielhafte Pflege des dichterischen Erbes Heines in der Stadt und weit darüber hinaus wurde auch erst die inhaltliche Vorbereitung des Heine-Jahres 1997 möglich. Ich möchte dem Leiter des Heinrich-Heine-Instituts, Herrn Professor Kruse, und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre engagierte Arbeit von Herzen danken.
Schon vor Jahren haben sie auf den mit besonderem Augenmerk zu versehenden Anlaß zum Gedenken hingewiesen und Pläne für die Inhalte und Abfolge des Heine-Jahres entwickelt. Ermöglicht wurde die Konzeption der Durchführung des Heine-Jahres '97 nicht zuletzt durch die Heinrich-Heine-Gesellschaft, die seit 1956 für das Andenken des Dichters tätig ist und sich aus kleinen Anfängen zusammen mit dem Heine-Archiv und -Museum im Heinrich-Heine-Institut um eine wirklich bewundernswerte und effektive Öffentlichkeitsarbeit verdient gemacht hat. Eine Öffentlichkeitsarbeit, ohne die gerade literarische Interessen nicht wirksam werden könnten.
Ihrem Vorstoß, gemeinsam mit dem Heinrich-Heine-Institut, ist der Erwerb des Heine-Geburtshauses in der Bolkerstraße 53 im Jahre 1990 zu verdanken. Die Stadt Düsseldorf konnte damals das - wie Heine es nennt - >>merkwürdige Haus<< erwerben, weil sie von der Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege unterstützt wurde. Diese Gelegenheit ermöglicht es mir, Ihnen, sehr verehrter Herr Ministerspräsident, als dem Vorsitzenden dieser Stiftung auch noch einmal persönlich den Dank der Landeshauptstadt zu übermitteln.
Auch Ihnen, sehr geehrte Frau v. Bennigsen-Foerder, als Vorsitzende der Heinrich-Heine-Gesellschaft, möchte ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank für all ihr Engagement aussprechen. Ohne Ihre Unterstützung hätten wir wohl kaum ein so tatkräftiges Kuratorium, dessen Mitglieder ich ebenfalls herzlich begrüße und denen ich von Herzen danke, gewinnen können. Denn dieses Heine-Jahr ist ein freiwilliges und privates Jahr.
Die Stadt ist der Austragungsort und dank der eigens vom Kulturdezernenten, Herrn Grosse-Brockhoff, eingerichteten >>Geschäftsstelle Heine-Jahr<< unter der Leitung von Frau Eckert-Schweizer auch der organisatorische Dreh- und Angelpunkt, aber sie bietet nicht die materielle Basis für die großen Ereignisse, mit denen des Dichters in einem breiten Spektrum gedacht wird.
Mein Dank gilt heute morgen vor allem auch der Preisträgerin der Ehrengabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft, Frau Professor Ruth Klüger, die aus Amerika gekommen ist, um zu uns zu sprechen, und damit der Eröffnung einen besonderen Akzent verleiht. Ich heiße Sie aufs herzlichste willkommen, Frau Professor Klüger!
Auch die gerade fertiggestellte historisch-kritische Heine-Ausgabe, die von 1973 bis 1997 in 16 Bänden in Verbindung mit dem Heinrich-Heine-Insitut von ihrem Herausgeber, Herrn Professor Windfuhr, mustergültig betreut wurde, gehört zu den städtischen Pluspunkten, an denen sich die Deutsche Forschungsgemeinschaft, das Land Nordrhein-Westfalen und die Freie und Hansestadt Hamburg beteiligt haben.
Angesichts all dieser dankenswerten Tatsachen darf ich Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, gestehen, daß mir im Vergleich zu einigen meiner Amtsvorgänger der letzten hundert Jahre, wenn ich Sie heute zum offiziellen Beginn des Heine-Jahres '97 begrüßen darf, trotz der erwähnten problematischen Geschichte Heines und Düsseldorfs, doch viel wohler sein kann.
Ende der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts mußte ein auch von städtischer Seite bereits weit gediehener, der Kaiserin Elisabeth von Österreich zu verdankender Plan für ein Heine-Denkmal durch ein preußisches Veto wieder ad acta gelegt werden. Indirekt ist wenigstens das Heine-Archiv seit Anfang unseres Jahrhunderts die Folge dieses gescheiterten Dichter-Denkmals, das als Loreley-Brunnen heute in der New Yorker Bronx steht.
Das 1932 von Georg Kolbe für Düsseldorf vollendete Heine-Denkmal wurde angesichts des hereinbrechenden Dritten Reiches gar nicht mehr seiner Bestimmung übergeben. Nach dem Kriege war es aus Gründen der unseligen Verquickung von Kunst und Macht nicht mehr zu gebrauchen. Der >>Aufsteigende Jüngling<< steht heute ohne Heine-Bezug im Ehrenhof gegenüber dem Landesmuseum Volk und Wirtschaft.
Die endlich geschaffene Heine-Denkmalsanlage auf dem Napoleonsberg im Hofgarten von 1953 dagegen gelangte trotz erläuternder Inschrift seitlich der Bronzeplastik nie so recht ins Bewußtsein der Öffentlichkeit. Von großer Bedeutung für eine fruchtbare Diskussion ist erst das von Bert Gerresheim geschaffene Heine-Monument auf dem Schwanenmarkt geworden, das am 125. Todestag des Dichters, dem 17. Februar 1981, eingeweiht wurde.
Als sich dann 1988/89 nach über 20-jährigen, auch international hohe Wellen schlagenden Debatten die Universität Düsseldorf nach Heinrich Heine benannte - woran die Stadt nicht ganz unbeteiligt war -, wurde es für die Repräsentanten sehr viel leichter, bei Heine-Anlässen zu reden.
Neben der Heinrich-Heine-Gesellschaft ist auch die Heinrich-Heine-Universität in Verbindung mit der Stadt und ihrem Heinrich-Heine-Institut für die Ausrichtung des Heine-Jahres '97 Mitträger und Mitveranstalter. Dem Rektor, Herrn Professor Kaiser, der gleich ebenfalls noch ein Grußwort sprechen wird, sei für dieses Engagement herzlich gedankt.
So stehe ich denn heute morgen hier, um zusammen mit Ihnen in dieser Feierstunde im Düsseldorfer Schauspielhaus das Heine-Jahr '97 zu eröffnen. Dabei hat es sowohl in Düsseldorf, als auch darüber hinaus längst bei dieser und jener Gelegenheit begonnen. Das spricht für die Lebendigkeit und poetische Freiheit, das spricht für die sich von vielen Seiten zusammenfindenden Interessen und guten Absichten.
Es spricht auch dafür, daß wir die verschiedensten Aktivitäten zwar bündeln können, aber nicht unbedingt bändigen müssen. Es scheint eben doch viel Nachholbedarf auf den verschiedensten Ebenen zu bestehen. Es braucht die mannigfaltigsten Termine und Kreise, um die guten Anliegen und Botschaften im Werk des Dichters an möglichst viele Adressaten zu befördern.
Ich wünsche uns sehr, daß im Heine-Jahr

- durch die Ausstellung von Heine-Institut und Kunsthalle,
- durch den Kongreß von Heine-Universität und Heine-Institut,
- durch die Heine-Unternehmungen des Schauspielhauses wie im Musikleben,
  1. durch das Spektakel in der Altstadt und am Rhein,
- durch die Beiträge so vieler Einrichtungen und Gruppen, vom Landesschülerwettbewerb bis zu künstlerischen Arbeiten, Aktionen und Installationen, beispielsweise von den Professoren Lüpertz und Immendorff oder Frau Professor Gabriele Henkel,

der Zauber, die Modernität, das Erbe von Aufklärung und Romantik, der Impetus des Jungen Deutschland und des demokratischen Anspruchs der Vormärzliteratur, das Engagement, aber auch die Skepsis als Funken überspringen mögen ins heutige Bewußtsein.
Gerade in schwierigen Zeiten sind kulturelles Engagement und das Wachhalten bzw. Wiedererwecken jener Traditionen, denen wir unsere Freiheit, unseren Frieden und unsere vergleichsweise immer noch als Glück zu bezeichnende Gegenwart verdanken, von besonderer Wichtigkeit.
Das Heine-Jahr ist auch dafür ein gutes Beispiel. In diesem Sinne wünsche ich dem Heine-Jahr Erfolg und eine intensive und langanhaltende Wirkung.
HOME-Logo

Zurück zur deutschen Startseite

Mailbox für Leserbriefe Brief an die Redaktion

h a n d m a d e handmade pages - Bild von einer Hand - zur Startseite p a g e s

Besucher seit 26. September 2001, 12 Uhr: Letzte Änderung am 8. November 2001 durch Frank Fremerey